dahblog.arthistoricum.net

Publish first - filter later

Es ist üblich geworden, sich über die steigende Flut wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu mockieren. Im Grunde steckt darin ein großes Maß an Heuchelei: Wir bilden – gerade auch in den Geisteswissenschaften im allgemeinen und der Kunstgeschichte im besonderen  - immer mehr Nachwuchs aus, der dann (wenn auch zuletzt lange nicht mehr so flächendeckend) promoviert. Und wir gründen immer mehr Forschergruppen, die sich nach der Promotion wissenschaftlich betätigen. Dass alle diese Leute dann auch publizieren wollen bzw. müssen, lässt sich ja gar nicht verhindern. Und es ist zunächst einmal ein Gewinn.

Auch hier ist das Internet Teil des Problems genau wie Teil seiner Lösung: Internet-Publikationen sind billiger und lassen sich viel unkomplizierter bewerkstelligen. Dieser blog ist ein Beispiel dafür.

Aber das Internet ist eben nicht nur ein Ort, an dem man Dateien abladen kann, es ist wesensmäßig interaktiv und darüber hinaus in seiner Eigenschaft, elektronisch organisiert zu sein, punktgenau adressierbar. Steigender Datenmasse korrespondiert damit steigend präzise Suchbarkeit, mit der die Masse besser zu bewältigen ist als früher. Und die Interaktivität erlaubt vielfältige Bewertungsmöglichkeiten, die den mehr und mehr überforderten Leser/innen Orientierungsmöglichkeiten bieten. Davon ist bislang noch nicht viel realisiert – was sich ändern wird. Vgl. hier

Die Interaktivität des Mediums entwertet im übrigen ein geläufiges Verfahren, mit dem bislang Publikationswürdiges von -unwürdigem unterschieden wurde: Das Peer-Reviewing-Verfahren durch Spezialisten, die den Daumen nach oben oder nach unten gedreht haben. Die neue Regel wird sein: „Publish first – filter later“ (vgl. hierzu übrigens das unbedingt lesenswerte Buch von Clay Shirky: Here comes everybody). Vorgelagerte Bewertungsverfahren resultierten bislang aus einem Mangelzustand, nämlich dem Mangel an papierernem Publikationsraum. Dieser Mangel fällt jetzt weg, und damit der Grundpfeiler für das „filter first – publish later“. Die Leser/innen der Beiträge im Internet werden diese Wertung selber übernehmen – und wenn das intelligent organisiert wird, kann es ein entscheidender Beitrag zur Demokratisierung der Wissenschaft werden. Einer qualitätvollen Demokratisierung im übrigen – dies als optimistische Antwort auf die Unkenrufe der Konservativen, und sei es auch, dass diese im Deckmäntelchen der Avantgarde daher kommen. Intelligent organisiert würde in diesem Fall z.B. heißen, dass die Qualifikationen der Bewertenden in die Gewichtung der Wertung mit einbezogen werden.

 

Weniger herausragende Beiträge, die aber durchaus wertvolle Informationen enthalten können, finden dann ebenfalls ihren Publikationsort. Auf ihren Wert (oder dessen Mangel) lässt sich in der Evaluation hinweisen, und die Suchmöglichkeiten tun ein übriges. Ein Beispiel: In Frankreich entstehen speziell in der Kunstgeschichte ganze Serien von äußerst umfangreichen Qualifikationsarbeiten zu eher zweit-, wenn nicht drittrangigen Künstlern. Bislang landen diese in irgendeinem Archiv, an sich eine Unverschämtheit gegenüber den jungen Leuten, die meist Jahre intensivster Arbeit investiert haben. Sie sind argumentativ häufig nicht so herausragend, dass ihnen in einem klassischen review-Verfahren Publikationschancen eingeräumt würden. Und eben so lang, dass der Druck Unsummen kosten würde. Aber warum sollten wir darauf verzichten, die darin enthaltenen Informationen greifbar zu machen?

 

0 Kommentar(e)

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden

dahblog.arthistoricum.net und Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte

Die Digitale Kunstgeschichte bloggt ab sofort unter dahblog.arthistoricum.net.
Hier kommen Sie zurück zum Netzwerk des Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte.