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Street View im Museum: Das Google Art Project

Das Medienecho war groß: Nach der offiziellen Pressekonferenz von Google wurde noch am gleichen Tag in den Nachrichten zur besten Sendezeit auf ARD und ZDF davon berichtet, diverse Artikel in den großen Zeitungen folgten. Google selbst scheint auf seine neueste Errungenschaft stolz zu sein: Auf der sonst so kargen klassischen Startseite der Internetsuchmaschine prangt seit gestern ein Werbebanner in eigener Sache.

 

Google Startseite mit Werbung für das Art Project

 

Die Rede ist vom Google Art Project. Bereits 2009 machte Google Schlagzeilen mit hochaufgelösten Bildern aus dem Prado. Damals noch in Google Earth eingebettet, boten die Digitalisate von 14 Meisterwerken eine Detailschärfe bis zum Pigment. Schon damals gab es die Versprechung, dass diesem Pilotprojekt weitere Projekte mit anderen Museen folgen würden. Diese Versprechen hat Google nun auf beeindruckende Weise eingelöst. Das Staunen beginnt bereits beim Aufruf von googleartproject.com. Der Besucher wird von einem bildschirmfüllenden Detail eines zufällig ausgewählten Kunstwerks in höchster Vergrößerungsstufe begrüßt. Und die ist wirklich beeindruckend: Selbst im Original wird man kaum die Gelegenheit haben, den Farbauftrag und die Maserung der Leinwand so genau zu studieren, wie es nun beispielsweise bei Van Goghs Schlafzimmer möglich ist. Wird der Mauszeiger über das Bild bewegt, erscheint ein Menü, dass den Zugang zu den digitalisierten Werken der beteiligten Museen ermöglicht. Ausgewählte Bildausschnitte lassen sich verlinken und über einschlägige Dienste wie Twitter, Facebook oder auch E-Mail verbreiten. Die Zahl und Qualität der Projektpartner ist schon jetzt beeindruckend, weitere sollen folgen.

 

Van Goghs Schlafzimmer - Detail

 

Zusätzlich können die beteiligten Museen auch virtuell beschritten werden. Mit der von Google Street View bekannten Technik wurde jeder Winkel der beteiligten Museen aufgenommen. In bester Tradition des Virtuellen Museums lässt sich so am Bildschirm ein Spaziergang durch die Museen unternehmen. Ohne Störung durch andere Besucher kann man in Ruhe vor einem Bild verweilen und bei Bedarf so nah an das Bild herantreten, wie es in einem realen Museum nie möglich wäre, ohne den Zorn des Aufsichtspersonals auf sich zu ziehen ... und sich die Nase zu stoßen. Doch gerade diese Möglichkeit des virtuellen Rundgangs hat in den Medien den gleichen Pawlowschen Reflex hervorgerufen, den die Idee des Virtuellen Museums seit Jahrzehnten auslöst. Statt Speichel beginnt der Angstschweiß zu fließen: Geht denn nun niemand mehr in die realen Museen?

 

Virtueller Rundgang im Van Gogh Museum

 

Vom Reporter aus dem Off in den Raum gestellt, wurde diese Frage in allen Beiträgen im TV vom gleichen Kunstkritiker beantwortet. Dieser bemühte sich eifrig festzustellen, dass der Spaziergang durch die Museen doch eher ein Umherzucken sei, und dass daher keine Gefahr für die realen Museen bestünde. Regelrecht erfrischend dagegen war doch die Einschätzung von Prof. Dr. Günther Schauerte, stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Vizepräsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der darauf verwies, dass mit solchen Projekten nicht Museumsbesucher vom Besuch abgehalten, sondern neue Zielgruppen erschlossen und die Sichtbarkeit - und damit die Werbewirkung - eines Museums erhöht wird. Seine Meinung geht damit konform mit der vorherrschenden Meinung, die sich in der seit über 20 Jahren existierende Besucherforschung im Zusammenhang mit Virtuellen Museen herausgebildet hat. Auch der Wissenschaftler wird nun nicht plötzlich vom Erlebnis der Werke im Original absehen. Aber er hat nun die Gelegenheit, anschließend am Bildschirm die Werke in einer Detailgenauigkeit zu studieren, wie es sonst nur wissenschaftlichem Museumspersonal und Restauratoren möglich ist.

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