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Symposion "Raumwelten" – Gratwanderung zwischen Virtualität und der Kraft des Objekts

Ludwigsburg und Stuttgart werden künftig alljährlich eine Plattform für den Austausch von Szenographen, Architekten, Designern, Museumsleuten, Medientechnikern und Stadtplanern bieten. Den Impuls für dieses ehrgeizige Projekt setzte die Film- und Medienfestival gGmbh mit ihrer Ende Oktober auf dem Ludwigsburger Campus erfolgreich gestarteten Vortrags- und Talentescout-Veranstaltung "Raumwelten". In Kooperation mit den Akademien für Film bzw. für Darstellende Kunst in Ludwigsburg und jener für Bildende Kunst in Stuttgart sowie dem potenten Mitveranstalter, der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart, ging es im Wesentlichen um innovative Raumkonstruktionen: etwa im Stadtbild, in Ausstellungs- bzw. Museumskontexten, aber auch in der Werbung und auf Messen (Stichwort: 'showroom').


Im hier besonders interessierenden Panel "Raumwelten Art & Research" (neben "R'welten Business" und "R'welten Talent") stand die Frage nach der Produktion und Rezeption von inszenierten Räumen im Mittelpunkt und besonders, wie sich welche Botschaften und Emotionen darin vermitteln lassen. Die Berichterstatter hier – im wesentlichen Designer, Architekten, Bühnenbildner und Vertreter einer ja noch relativ jungen gleichwohl fest etablierten Szenographen-Gilde – sind fast alle global player. Der Niederländer Hermann Kossmann beispielsweise (Kossmann.dejong), der es vorzieht, "die Realität nicht zu kopieren, sondern neu zu erschaffen" – und zwar meist virtuell – hat etliche Museen nicht nur seiner Heimat gestaltet. Oder der Architekt Friedrich Ludewig von acme ('a company making everthing'), dessen intensive kulturübergreifende Studien von Raumpräsenzen sowie des Verständnisses von Öffentlichkeit und Privatheit in seine Entwürfe einfließen - weltweit realisiert von Hamburg bis Shanghai. Die spezifische Eigenheiten von Architekturen, inbesondere von Räumen und 'spaces' zu erfassen und mehr noch diese zu betonen, ist das Ziel von Petra Blaisse (Inside Outside). Mit ihrer Methode, textile (z.B. mittels Vorhängen u.ä. Raumteilern), pflanzliche oder dingliche Interventionselemente eben innen oder außen zu applizieren rückt sie die Architekur selbst, gleichsam als Objekt, ins Zentrum der Betrachtung; akzentuiert wird gleichzeitig aber auch ihre Rolle als Gefäß oder Hülle für die unterschiedlichsten Inhalte. Um genau diese ins rechte Licht zu rücken, vertrauen Museumskuratoren – so sich ihre Häuser das leisten können – die Inszenierung von Bildern, Objekten, Kulturtechniken usw. inzwischen weitestgehend Zeremonienmeistern der Präsentation an. Seltener ergibt sich die Gelegenheit, Raum und Inhalt von Beginn an aufeinander abzustimmen. Das geplante Humboldt-Forum im neuen Berliner Schloß ist dafür das derzeit populärste Glanzbeispiel. Ca. 24.000 Objekte der verschiedenen Sammlungen (von jener Asiens über die Afrikas bis zur Südsee) sollen ihren angemessen Platz finden. Nicht zuletzt entsprechend dem einst von Leibniz für das historische Berliner Schloß erdachten Kunstkammer-Prinzip, wonach die Vermittlung von Wissen und theatrale Sinnlichkeit einander bedingen sollten. 

Für die aktuelle Realisierung sind international erfahrene Szenographen und Mediendesigner engagiert: In Ludwigsburg referierte Tim Ventimiglia, Direktor eines der zuständigen Planungsbüros (RAA) selbst: über die Länder-Module, über Virtrinen, die mehr Nähe zulassen, die Aktionsflächen und integrierten Schaudepots; von der in Amerika schon länger angewandten und nun in Europa gehypten Multiperspektive, über die Bedeutung des (Tages-)Lichts und über das Museum als sozialem Raum: Die Objekte sollen weniger zeitlich als thematisch kontextualisiert werden und den Betrachter durch sowohl fixe als auch variable Erläuterungen (mit Hilfe von personalistierten Rundgängen per Smartphone) nicht nur unmittelbar z.B. an historische Hintergründe heranführen, sondern bisweilen auch den direkten Austausch mit den wissenschafltichen Kuratoren oder auch Künstlern vor Ort ermöglichen. Klingt erstmal ideal!

Demgegenüber berichtete Pablo von Frankenberg (hg merz architekten) von den Schwierigkeiten, Klippen sowie Glücksmomenten des Gelingens in der Zusammenarbeit von Museumskuratoren und -gestaltern. Eine zentrale Herausforderung sei oftmals,"den unendlichen Maßstab des Wissens auf die Überschaubarkeit im Raum herunterzubrechen" und das Ziel umzusetzen, Besuchern optisch "eher beim Suchen als beim Finden zu unterstützen" – also eher Fragen als Antworten aufzuwerfen, wie es etwa im Ruhr Museum in Essen, einem seiner Auftraggeber, gelungen sei. 

Wie sehr der Raum an sich aber auch dazu verführen kann, einerseits medientechnisch aufzurüsten oder aber den Besucher selbst zum Akteur zu machen, erwies die Einführung zum Stuttgarter Stadtmuseum. Im noch entkernten Wilhelmspalais, der ehemaligen Stadtbibliothek situiert, soll es 2017 eröffnet werden, so daß auch hier Raumgestaltung und museale Konzeption in eins gehen können. Die Gründungsdirektorin Anja Dauschek und Ingo Zirngibl als 'Einrichter' setzen, so führten sie aus, auf Versammlungsflächen, Projektionen, virtuelle Stadtmodelle und Objektimitationen zum Anfassen. Eine der musealen Hauptaufgaben geht man in Stuttgart nämlich intensiv erst seit der Planungsphase (spätestens seit ca. 2009) nach: dem Sammeln historischer Objekte, also Originalen, verknüpft mit der (sicher nicht unbegründeten) Hoffnung, dass nicht allzuviel aus der Stadtgeschichte verloren gegangen ist. Sonst erwartet die Besucher wohl nur eine vage, künstlich evozierte Idee der Vergangenheit: dank Schattenspielen an der Wand.


http://www.raum-welten.com/wp-content/uploads/sites/2/2014/10/140929_RAU_Katalog_web_small.pdf

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