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Nachnutzbare semantische Datenmodellierung für Werkverzeichnisse

von Nicole Sobriel

Ein Werkverzeichnis oder Catalogue raisonné hat den Anspruch, alle Werke eines*einer bildenden Künstler*in aufzulisten und zu beschreiben, auch wenn die Werke nicht mehr erhalten sind oder ihre Existenz zum Beispiel durch Schriftquellen nur indirekt nachweisbar ist. Œuvrekataloge sind genuin auf stetige Fortschreibung hin angelegt. Damit kontinuierlich notwendige Ergänzungen oder Überarbeitungen zum jeweiligen Forschungsstand flexibel möglich sind, ist von einer wachsenden Bedeutung digitaler Werkverzeichnisse auszugehen.
In Zusammenarbeit mit Kunsthistoriker*innen und Forschungsgruppen erstellt, hostet und betreut die UB Heidelberg im Kontext von arthistoricum.net nachhaltige, datenbankgestützte Werkverzeichnisse.
In dem DFG geförderdeten Projekt "Semantics4Art&Architecture - Aufbau einer nachhaltigen Forschungsinfrastruktur für die ontologiebasierte Dokumentation und Erschließung von Kunst und Architektur", welches die UB zusammen mit dem Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung - Institut der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg von 2018 bis 2021 durchführte, lag der Heidelberger Fokus u.a. auf der semantischen Datenmodellierung für Werkverzeichnisse. Ziel war es dabei eine nachnutzbare Anwendungsontologie und ein Datenmodell für die Community bereitstellen zu können.

Für den Einstieg in die Thematik der Datenmodellierung mit WissKI stand das digitale Werkverzeichnis Anton Raphael Mengs zur Verfügung, welches an der UB Heidelberg in Kooperation mit Prof. Dr. Steffi Roettgen (München) entsteht und als Fortführung ihres monographischen Werkverzeichnisses Anton Raphael Mengs 1728-1779 gilt. Weitere wichtige Grundlagen für das zu entwickelnde Datenmodell und die dafür notwendige Anwendungsontologie bildeten Workshops mit der Fachcommunity und ein sich daraus ergebender Anforderungskatalog.

Die "Heidelberger Anwendungsontologie für Werkverzeichnisse" ist eine Erweiterung des CIDOC Conceptual Reference Model (ISO 21127), umgesetzt im Erlangen CRM / OWL (Version 200717). Sie bietet Klassen und Eigenschaften, die zur Beschreibung von Kunstwerken für ein Werkverzeichnis konkretisiert sind, sie kann jedoch auch zur Modellierung eines Datenmodells benutzt werden, dessen Fokus unabhängig vom Kontext „Werkverzeichnis“ ganz allgemein auf der Dokumentation und Tiefenerschließung von Kunstwerken liegt. Im Fokus steht das unikale Werk, bei reproduzierbarer Kunst zusätzlich das Werk-Konzept, welches mit identifizierenden und klassifizierenden Kategorien beschrieben und dessen Objektgeschichte durch Beschreibung einzelner Ereignisse wie Schöpfung, Herstellung, Auftrag, Auktion/Verkauf, Ausstellung, Restaurierung oder Provenienz respektive Besitztum ausführlich dokumentiert werden kann. Weitere Klassen und Eigenschaften, mit denen die mit dem Werk oder Werk-Konzept in Beziehung stehenden Entitäten detailliert beschrieben und dokumentiert werden können, erlauben es darüber hinaus, komplexere Fragestellungen als allein die Objektgenese und -geschichte zu behandeln. Damit auch die Integration von Normdaten und Thesauri wie z.B. der Gemeinsamen Normdatei Deutschland (GND), des Art and Architecture Thesaurus (AAT) oder Iconclass möglich ist, wurden die dafür relevanten Klassen in die Anwendungsontologie aufgenommen.

Zum Einsatz kommt diese neue Werkverzeichnis-Ontologie erstmals in dem WissKI-Projekt "duerer.online – Virtuelles Forschungsnetzwerk Albrecht Dürer", dessen Kern ein digitales Werkverzeichnis zum Œuvre Dürers ist.

Unter Einsatz der Heidelberger Anwendungsontologie wurde das "Heidelberger Werkverzeichnis-Template im WissKI-Pathbuilder" entwickelt, welches eine detaillierte wissenschaftliche Erschließung bietet. Es kann jedoch auch nur als Ausgangspunkt verwendet und an die Bedürfnisse des eigenen Vorhabens angepasst werden. Abhängig von der Projektausrichtung, der Laufzeit des Projekts und der Quellenlage, kann die Dokumentation auf Basisinformationen reduziert werden oder aber die Möglichkeit der wissenschaftlichen Tiefenerschließung wird ausgeschöpft. Der Forschungsschwerpunkt muss dabei nicht zwangsläufig ein Werkverzeichnis sein, vielmehr kann das Template ganz allgemein für Dokumentationen von Kunstwerken, ihre Identifikation, Klassifikation, Beschreibung und/oder Rezeption verwendet werden.
Die Anwendungsontologie und das Template wurden auf dem Forschungsdatenrepositorium arthistoricum.net@heiDATA publiziert und stehen zur Nachnutzung zur Verfügung (s. Semantische Datenmodellierung für Werkverzeichnisse (Universitätsbibliothek Heidelberg)", https://doi.org/10.11588/data/64KP3N).

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