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Wissenschaft als work in progress

Ende letzten Jahres war eine sehr sympathische ältere Frau bei mir, die sich um den Nachlass ihres Vaters kümmert. Dieser Mann spielt in der Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Besonders am Herzen lag ihr eine Biographie ihres Vaters, mit deren Zusammenstellung sie schon seit Jahren beschäftigt ist. Ich habe sie gefragt, wie lange sie noch dafür brauchen würde, und sie meinte, es dürfte schon noch eine Weile dauern. Mein Vorschlag, das Vorhandene schon einmal niederzuschreiben und online zu veröffentlichen, stieß – wie nicht anders zu erwarten – auf wenig Begeisterung. Dabei hätte sie auf der Basis dann weiter arbeiten können, ohne dass man Gefahr liefe, dass etwa aus Krankheitsgründen selbst die vorläufige Version nicht zustandekäme. Im klassischen Druckwesen ist eine solche Vorgehensweise natürlich nicht denkbar, weil viel zu teuer und auch unpraktisch. Aber im Digitalen? Die ganze wikipedia funktioniert so. Das Medium erlaubt eine Neudefinition des Textes, der seinen Endgültigkeitscharakter verliert (welcher freilich auch im Gedruckten nur eine Fiktion ist) und zu einem permanenten work in progress mutiert. Viele von uns hören das mit Schrecken. Mich fasziniert es.

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