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Digitale Kunstgeschichte. Plädoyer für eine Normalisierung II

Fortsetzung von dem Züricher Vortrag

Zum Punkt "Digitalisierung und Recht"

Motto: Wenn ich vier Juristen frage, bekomme ich fünf unterschiedliche Antworten. Also lasse ich das Fragen und agiere einfach.

Würde man den Zeitaufwand berechnen, der mit den Versuchen zur Beantwortung der Frage eingesetzt wird, was ich für Erlaubnisse einholen muss, um ein bestimmtes Bild in meiner Veröffentlichung zu reproduzieren, man käme in der Summe wohl auf Jahrtausende. Leider gelte ich ja unberechtigterweise als Kenner in dem Feld und werde permanent gefragt. Dahinter steckt System. Die im weiteren Sinne urheberrechtlichen Fragen sind vor allem im internationalen Maßstab weithin so ungeklärt, dass eine definitive Antwort darauf meist gar nicht möglich ist. Ich habe zuweilen den Eindruck, dass die Verwerterindustrie über diese Sachlage gar nicht so unglücklich ist, führt sie doch dazu, dass man erstens freiwillig irgendwelche Gebühren bezahlt, obwohl diese gar nicht gerechtfertigt sind, oder dass man aus Furcht vor den Konsequenzen eine Abbildung erst gar nicht bringt, insbesondere eben im Internet. Wenn ich mir ansehe, wie insbesondere Museen immer wieder so tun, als besäßen sie irgendwelche Bildrechte an den in ihren Häusern aufbewahrten Werken, dann stehen mir die Haare zu Berge. Ich will jetzt hier gar nicht in die Einzelheiten einsteigen, zumal sie mir weithin ebenfalls einigermaßen undurchschaubar sind. Aber ich möchte doch an das statement eines der besten Kenner der Materie erinnern: Reto Hilty, Direktor des Max Planck-Institutes für Immaterialgüterrecht hat bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema vor zwei Jahren in München einmal ziemlich offen dazu aufgefordert, wir sollten doch als relativ geschützte Angehörige des öffentlichen Dienstes zivilen Ungehorsam praktizieren, anstatt aus Furcht vor den Konsequenzen immer gleich zurückzuweichen. Das muss man sich mal vorstellen: Da ist jemand offenbar so genervt, dass er so etwas an offizieller Stelle einklagt! Andererseits  gibt es auch ermutigende Entwicklungen: Das Rijksmuseum in Amsterdam stellt seine gesamte Sammlung (insgesamt 1 Millionen Bilder) frei zur Verfügung. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz versieht ihre Werke mit einer Creative Commons Lizenz und stellt sie auf "non commercial". Eine Praxis, die in letztem Punkt von den Kennern der Materie zwar in Zweifel gezogen wird, die aber immerhin die Propagandisten der VG Bild Lügen straft, öffentliche Kulturinstitutionen würden somit nur den Gewinninteressen der Verwerterindustrie in die Hände spielen, welche dann mit dem frei zur Verfügung gestellten Material ihren Reibach mache. Die hier an zwei Beispielen benannte Liberalisierung könnte übrigens auch mit der einfachen Tatsache zu tun haben, dass die Museen entdeckt haben, dass die Verwaltung der Einnahmen, die über den Reproduktionsverkauf zu erwarten sind, mehr kostet, als diese Einnahmen selber bringen. In erster Linie aber genügt sie der Einsicht, dass nur eine offensive Verbreitung der eigenen Schätze auch im Internet die Bekanntheit und das Image der jeweiligen Institution langfristig sichert. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück.

 

 

Und wenn ich mir hier wie angekündigt auch noch einen kleinen Schlenker zum open access erlauben darf, obwohl das nicht zu meinem Beritt gehört: Auch die Wissenschaft tut gut daran, ihre Publikationen verstärkt im open access zur Verfügung zu stellen, dürfte doch inzwischen hinlänglich bekannt sein, dass dort die Verbreitung und Wahrnehmung entschieden größer ist als in den traditionellen Medien. Solchen einfachen Wahrheiten steht allerdings eine massive Stimmungsmache der veröffentlichten Meinung entgegen. Frankurter Allgemeine und Süddeutsche Zeitung übertreffen sich gegenseitig in ihrer Anti- Open Access Propaganda. Das geht hin bis zur bewussten Unwahrheit. Nur ein Beispiel: In der FAZ hat schon mehrfach gestanden, Baden-Württemberg plane einen Zwang zum Open Access. Dabei ist dort nur eine Gesetzesvorlage eingebracht worden, die zu der Open-Access-Option zwingt. Die Behauptung der FAZ entspricht derjenigen, ich würde jemanden zum Selbstmord zwingen, den ich darauf hinweise, dass er sich der unhintergehbaren Möglichkeit des Selbstmordes bewusst wird. Aber es ist ja auch klar, warum die Medien hier so poltern: Sie sind als publizistisch tätige selber vom open access betroffen und fühlen sich von ihm existentiell bedroht. Die Frage wäre nur, ob wir uns als Wissenschaftler - unabhängig von der Frage, ob diese Befürchtungen gerechtfertigt sind - vor den Karren der Zeitungen und allgemeiner der Verlage spannen lassen. Auch hierauf komme ich gleich noch einmal zurück. Zunächst vielleicht erst noch der Hinweis darauf, dass elektronisches Publizieren nicht nur eine Verpackung ist, sondern auch eine Schreibmodalität. Klaus Graf hat einmal behauptet, nur ein bloggender Wissenschaftler sei ein guter Wissenschaftler. Das ist natürlich übertrieben. Aber ich würde doch aufhören, mich über vor allem jüngere Wissenschaftler/innen lustig zu machen, die verstärkt bloggen und twittern und z.B. auch Formen des kollaborativen Schreibens im Netz erproben. Die auf diese Art erzeugte Sichtbarkeit hat immer mehr Einfluss etwa auch auf die Berufungspolitik der Universität. Kleine Parenthese: Ich hoffe inständig, dass der Schweizerische Nationalfond sich doch bitte nicht von all den Verlags-organisierten Larmoyanzbekundungen von vornehmlich Geisteswissenschaftlern verunsichern lässt und die moderne OA-Politik seines Vereins unbedingt weiterverfolgen möge. Und ich würde mir wünschen, dass doch die DFG ähnlich mutig wäre!


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