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Remix im Museum

Die Radikalinskis aus dem Amsterdamer Rijksmuseum nach oben

Also ich plädiere ja hier immer wieder für eine entschiedene Modernisierung des Museums im Zeichen internet-gestützter Verfahrensweisen. Wenn ich allerdings das sehe, was im Amsterdamer Rijksmuseum an der digitalen Front produziert wird, muss ich auch erst einmal schlucken. Um dann umso entschiedener die Logik dieser Politik zu verstehen.

Worum geht es? So wie in den Niederlanden auch an anderen Stellen eine ausgesprochen progressive Internet-Kulturpolitik zu beobachten ist - etwa bei innovativen Editionsstrategien - so hat man sich im Rijksmuseum nach jahrelanger Schließung im Zuge der Wiedereröffnung zu einer denkbar liberalen Publikationspolitik durchgerungen. 125.000 Werke (!) aus den insgesamt 1 Millionen, die Zug um Zug ebenfalls verfügbar gemacht werden sollen, stellt das Museum schon jetzt hochauflösend und in beeindruckender Brillanz ohne jede Barriere zur Verfügung. Anders als all die (deutschen) Museen, die irgendwelche erfundenen Copyrights vorschützen, um in dem Bereich ihre Zurückhaltung zu begründen, und die glauben, mit Reproduktionsgebühren noch ein wenig Einnahmen zu generieren - obwohl sie damit in aller Regel noch nicht einmal die Verwaltungsgebühren wieder reinholen.

Noch viel aufregender und für viele befremdlicher ist aber, zu welchem Gebrauch die Museumsleute ihre Kunden anregen. Das klingt dann wie eine praktische Umsetzung von Lawrence Lessigs remix-Idee: Jeder Besucher kann sich eine eigene Sammlung anlegen, in der er seine vorher ausgesuchten Bilder einstellt, diese kann er mit anderen teilen, aber mit einzelnen Bildern kann er auch seine eigene Phantasie durchgehen lassen, sie weiterbearbeiten, als Plakat ausdrucken, oder vielleicht auch auf seinem Fahrzeug-Kühler verewigen. Die weitgehende Ermächtigung des Besuchers wird auch dort ausdrücklich betrieben, wo er/sie auf wenig traditionellem Wege auf die Spur der eventuell bevorzugten Kunstwerke gebracht wird. In fünf Schritten kann man bestimmen - Achtung! - welcher Ferientyp man ist, wie man es mit der Liebe hält, welches die Lieblingsfarbe ist, an welche holländische Stadt man sein Herz verloren hat, und als welcher Menschentyp man wiedergeboren werden möchte. Nach nicht näher bestimmten Kriterien werden dann die Bilder herausgesucht, die einem wohl gefallen werden.

Die Vorgehensweise unterscheidet sich radikal von dem, was Museumsleute und Kunsthistoriker gewöhnt sind. Und sie dürfte bei letzteren (und irgendwie auch bei mir) auf großes Befremden stoßen. Aber wenn man überlegt, könnte es durchaus sein, dass solche modernistischen Verfahrensweisen größere Chancen haben, eine junges Publikum zu binden, als die klassischen. Mit dem Verweis darauf, dass Rembrandts "Nachtwache" etwas mit den städtischen Bürgerwehren im Befreiungskrieg von den Habsburgern zu tun hat, lockt man heute nicht mehr viele hinter dem Ofen hervor. Wohl aber mit der Überzeugung, dass viele zusammen mehr erreichen als jeder einzelne. Und über diesen Umweg mag man auch wieder zur historischen Ebene durchdringen. Also: anstatt sich im Brustton des Besserwissens in der Wagenburg des Vergangenen zu verschanzen, könnte man es ja mal mit dem versuchen, was die Amsterdamer vorexerzieren!

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