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Früchte der Gender Studies

STURM-Frauen, Ausstellungsansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2015, Foto: Norbert Miguletz

Selbstverständlich beschäftigte man sich in den achtziger und frühen neunziger Jahren als angehende Kunsthistorikerin mit feministischer Methodenlehre. Das ist nun dreißig Jahre her, und man hätte erwarten können, dass der männlich dominierte Kunstbetrieb seit jener Zeit nachhaltig aufgerüttelt worden wäre. Zwar gibt es eine Fortführung in den Gender Studies, doch im Ausstellungsbetrieb sind Künstlerinnen noch immer in der Minderheit, was sich besonders darin zeigt, dass eine (zufällige) Anhäufung von Exponaten aus weiblicher Hand stets auffällt. Auch wenn es Galeristinnen gibt, die fast ausschließlich Frauen im Programm haben oder der britische, französische und deutsche Pavillon auf der Biennale von Venedig 2007 mit Sophie Calle, Tracey Emin und Isa Genzken drei gestandene Künstlerinnen an zentraler Position zeigten, unter den ersten 25 Künstlern der Rangliste Kunstmarktkompass sind lediglich 5 Frauen. Schaut man in die Kunstgeschichte zurück, sieht es nicht besser aus.

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt scheint allerdings ein Ort zu sein, an dem der Blick auf den weiblichen Anteil an der Kunstgeschichte möglich ist. So hat sich die Kuratorin Ingrid Pfeiffer nach den Impressionistinnen vor sieben Jahren erneut einem Komplex gewidmet, der – im Zuge der gewohnt offensiven Marketingkampagne des Hauses – „Sturm-Frauen“ benannt wurde und die in Herwarth Waldens Sturm-Galerie (1912 – ca. 1930) ausstellenden Künstlerinnen vorstellt. Walden hatte 30 Künstlerinnen im Programm, was in dieser Zahl höchst ungewöhnlich war. Wie wenig bekannt ist von den notwendigen Strategien der Teilhabe am männlich dominierten Kunstmarkt jener Zeit, wurde klar als die Kuratorin bei der Pressekonferenz einiges zur Ausbildungs- und Ausstellungssituation von Künstlerinnen um die Jahrhundertwende berichtete und ein Raunen durch den Raum ging, als hätte es die Aufklärungsarbeit der letzten 30 Jahre nie gegeben.

18 Positionen werden in der Ausstellung gezeigt, didaktisch aufbereitet mit insgesamt fast 300 Leihgaben. Darunter sind bekannte Künstlerinnen wie Gabriele Münter, Marianne von Werefkin und Sonia Delaunay, aber auch heute wenig bekannte wie Jacoba van Heemskerck, Marcelle Cahn, Marthe Donas (die sich den männlichen Vornamen „Tour“ gab), Lavinia Schulz und viele weitere.  Die in die Ausstellung nicht integrierten Künstlerinnen führt der Katalog am Ende mit kurzen Biografien auf (S. 346 ff.). Forschungslücken gibt es hier reichlich, und es wäre zu wünschen, dass diese recht bald gefüllt werden!

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