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Es gibt keinen schlimmeren Blinden als den, der nicht sehen will

Es gibt keinen schlimmeren Blinden als den, der nicht sehen will. (franz. Sprichwort)

Es scheint vollbracht: das Liechtensteiner Vaterland berichtet am 1.11.2016: „Drei Gerichtgutachter kamen zum Schluss, dass es sich um eine Fälschung handeln muss.“ Gemeint ist die Venus, von der nicht nur die fürstlichen Liechtensteiner Experten annehmen wollten und wollen, dass sie von Lucas Cranach himself stamme.
Die Cranach-Kenner scheinen aus dem Rennen und so wandte man sich von Behördenseite an die Naturwissenschaft, die es richten sollte. Man lässt nichts unversucht und beauftragt gar eine Graphologin mit der Beantwortung der Frage, ob das hingezauberte Schlänglein von Cranach sei.

Von dem deutschen Kunsthistoriker Guido Messling aus Wien, von dem zwischenzeitlich als „Gutachter“ in der Presse die Rede war  und der scheinbar über eine „Stilanalyse“ eine Autorenschaft Cranachs auszuschließen wollte, ist zum Glück nicht mehr viel zu hören. Glaubt man der Pressemittteilung der Eigentümerin, so will Messling nämlich darin immer noch ein Werk des 16. Jahrhunderts sehen. https://picturepark.liechtensteincollections.at/Go/txDLYtas
Auf die Frage, weshalb er es erst heute sehen können will, wenn er doch das Bildchen längst kannte und in der „Forschungsressource“ seines in Zusammenarbeit verbundenen Kollegen Heydenreich in höchster Auflösung studieren konnte, wird er keine befriedigende Antwort finden können.
Fragen stellen lassen wird sich auch der Restaurator Heydenreich müssen, der laut Presse die Venus nun doch noch untersucht und neue Erkenntnisse gewonnen haben will. https://blog.arthistoricum.net/beitrag/2016/03/06/cranachs-venus-verfuehrt-cranach-experten/
Auch er wurde von den französischen Ermittlern als „Experte“ hinzugezogen und ließ verlauten, "mehrere Unterschiede zu gesicherten Cranach-Werken, etwa hinsichtlich Materialwahl, Technik und Alterungsprozess" erkannt zu haben. Dies wäre möglich, wird aber dadurch mehr als unglaubwürdig, dass bereits am Tag nach dem Bekanntwerden der Fälschungsvorwürfe am 8.03.2016 der Eintrag in der „Forschungsressource“ cda von „Lucas Cranach der Ältere“ in „Imitation nach Lucas Cranach der Ältere“ abgeändert und kurz danach ganz gelöscht wurde. Damit wurde nicht nur der Begriff  „ Forschungsressource“ ad absurdum geführt, sondern auch der wissenschaftliche Leumund Heydenreichs schwer beschädigt. Wenn man weiß, dass seit 2013 die Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein als offizielle Projektpartner von Heydenreich publiziert worden waren und heute ganz von der Internetseite verschwunden sind, so erhält die Gutachtertätigkeit Heydenreichs in diesem Fall ganz neue Dimensionen. Heydenreich muss sich folgende Fragen stellen lassen: 1. War er durch die Zusammenarbeit mit Liechtenstein nicht befangen? 2. Wieso hat er die Tafel als echt und später als Imitation bezeichnet, wenn er das Bild gar nicht untersucht hat? 3. Beruhen seine heutigen Aussagen auf reiner Anschauung oder auf naturwissenschaftlichen Analysen? Hat er für sein Gutachten Rechnung gelegt?

Nicht Dieter Koepplin sollte in der Presse im Zusammenhang mit möglicher Haftung für Experten genannt werden, sondern die Experten, die heute als Gutachter fungieren. Koepplin hat sich geirrt und er hat dies als Einziger öffentlich zugegeben, nachdem er vom Autor auf  Details der Fälschung hingewiesen wurde. Diese Haltung gereicht der Kunstwissenschaft zur Ehre und sollte zum Vorbild werden. Verschweigen und Vertuschen hingegen sollte zum Verlust akademischer Titel führen, denn eine solche Haltung beschädigt die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft. Wenn bereits das unkorrekte Zitieren zum Titelverlust führt, so darf das Bekanntwerden von offensichtlichem Verschweigen negativer Erkenntnisse nicht verharmlost werden.
Als Beispiel sei hier nochmals auf die Fälschung eines Cranachbildes „Christus segnet die Kinder“ verwiesen, das 2009 beim Auktionshaus Fischer (Auktion Fischer, Luzern, 11. November 2009, Lot 1003) mit 11-seitigem „Untersuchungsbericht“ von Heydenreich als „Cranach mit Werkstattassistenz“ angeboten und dann auf Betreiben desselben (Fax vom 11.11.2009) zurückgezogen wurde. Obwohl das Leinwandbild als Solitär im Werk Cranachs des Älteren sowohl Dissertation als auch die Publikation Heydenreichs ziert, findet es sich nicht in der „Forschungsressource“ cda. Da der Autor bereits am 14.11.2009 Heydenreich auf einen Fälschungsverdacht aufmerksam gemacht hat und dieser offensichtlich selbst von einer Fälschung ausgeht, verschweigt er seine Erkenntnisse vorsätzlich aus eigenen Interessen, die mit wissenschaftlicher Redlichkeit nicht vereinbar sind.

Cranach Research Institute (cri)
Schloss Wolfsbrunnenweg 48
69118 Heidelberg
www.cranach.net

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