dahblog.arthistoricum.net

Umstrukturierung im V & A Museum London – als Folge der Covid-19-Pandemie

von Margret Schild (Theatermuseum Düsseldorf)

 

Nicht nur die Kulturbranche leidet unter den Folgen der Pandemie - sie hat auch gravierende Auswirkungen auf die Einrichtungen, die das immaterielle Kulturerbe sammeln und zugänglich machen. 2003 wurde das Unesco-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes verabschiedet. Es trat im Frühjahr 2006 nach der Ratifizierung durch 30 Staaten in Kraft. Inzwischen sind 178 Staaten beigetreten und über 500 kulturelle Ausdrucksformen, Traditionen und Branchen eingetragen.  Tanz, Theater und Musik gehören dazu – sowohl im deutschsprachigen Raum als auch weltweit ist die Zahl der Museen, Sammlungen, Archive und Dokumentationszentren zu den darstellenden Künsten überschaubar:  das Deutsche Bühnenjahrbuch 2020 weist 42 Einrichtungen im deutschsprachigen Raum nach, die TheSiD (Theatersammlungen in Deutschland) hat 27 korporative und die internationale Vereinigung SIBMAS (Société internationale des bibliothèques, des musées, archives et centres de documentation des arts du spectacle) knapp 100 Mitglieder.

Das Victoria & Albert Museum (V & A) wurde 1852 als South Kensington Museum gegründet und beherbergt die größte Sammlung von Kunstgewerbe und Design der Welt. Das britische Theatermuseum wurde als Abteilung des V & A 1974 in Covent Garden eröffnet. Zu dessen Bestand gehören Objekte zur Geschichte der darstellenden Künste in Britannien seit dem 16. Jahrhundert mit all ihren Sparten und gilt als  größte Sammlung zu diesem Thema weltweit. Kostüme, Bühnenbild- und Kostümentwürfe, Manuskripte, Literatur, Videoaufnahmen, Plakate und Gemälde rekonstruieren vergangene und zeitgenössische Produktionen sowie die Biografien der Personen, die in diesem Metier tätig waren und sind. Das Museum wurde 2006 aus finanziellen Gründen geschlossen, kehrte 2007 als Abteilung Theatre Collection in die Räumlichkeiten des V & A zurück und beteiligte sich danach aktiv  an den dortigen  Ausstellungen. Ab März 2009 wurde ein Ausstellungsbereich im V & A  eingerichtet (Theatre & Performance Department). Objekte aus der Sammlung werden für Wanderausstellungen sowie im Rahmen der Ausleihe  weltweit zur Verfügung gestellt.

Bedingt durch die Pandemie gingen die Besucherzahlen im V & A um 85 % zurück. Da diese nicht so schnell wieder das alte Niveau erreichen werden, muss das Museum erhebliche finanzielle Verluste ausgleichen. Im September 2020 wurden die Verantwortlichen beauftragt, die Summe von 10 Millionen Britischen Pfund jährlich einzusparen und haben ein Strategiepapier erarbeitet. Im letzten Schritt dieses mehrstufigen Prozesses sollen die bisherigen komplexen und historisch gewachsenen Strukturen reformiert werden. In Zukunft soll die Aufteilung  in Sammlungen (Mode, Theater & Darstellende Künste, Architektur, etc.) zugunsten von multidisziplinären Teams aufgelöst werden. Fachliche Kompetenzen aus den Bereichen Kunst, Design, Mode und darstellende Kunst sollen zusammengeführt, andere Bereiche (Medienkunst und –design, Architektur und Städteplanung) ausgebaut werden. Auch die eigene Forschungsabteilung, die nationale Kunstbibliothek und die Archive des V &A sollen zentralisiert werden.

Die SIBMAS betrachtet die Entwicklung (vor allem in Hinblick auf die Abteilung Theater & Darstellende Künst) mit Besorgnis: sie setzt sich nicht nur für die Sicherung der Stellen und die Weiterbeschäftigung des spezialisierten, engagierten Personals in diesen unsicheren Zeiten ein, sondern möchte auch die dauerhafte Zugänglichkeit zu diesem weltweit einzigartigen Archiv in Zukunft sichergestellt wissen. Eine vom SIBMAS-Präsidenten Alan Jones initiierte Protestpetition wurde innerhalb von wenigen Tagen [Stand: 8. März 2021] von mehr als 10.000  Personen unterschrieben.  

 

0 Kommentar(e)

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden

dahblog.arthistoricum.net und Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte

Die Digitale Kunstgeschichte bloggt ab sofort unter dahblog.arthistoricum.net.
Hier kommen Sie zurück zum Netzwerk des Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte.