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Universitäre Blockaden

Seit Beginn des Wintersemesters lässt die Frankfurter Goethe-Universität Externe nur noch in die Hauptgebäude der Universitätsbibliothek, nicht mehr in die Zweigbibliotheken. Das heißt für nicht der Universität angehörende Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker: kein Zugang zur Fachliteratur, denn diese befindet sich leider zum größten Teil fast vollständig in der Kunstbibliothek. Fernleihen werden mit Hinweis auf die Zweigbibliotheken mit einem Schulterzucken verweigert. Auch die Bestände der Deutschen Nationalbibliothek können in vielen Fällen keine Abhilfe schaffen.

Die Goethe-Universität sei zuallererst „ein Ort der Lehre und Forschung“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Enrico Schleiff in einer Videobotschaft, und begründet damit die Ausgrenzung Nicht-Universitätsangehöriger. Mit anderen Worten: Externe sind keine Forscherinnen und Forscher? Man traut seinen Ohren kaum!

Ein System, das davon lebt, mit unzureichend bezahlten Lehraufträgen den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten und das besonders im Fall der Gegenwartskunst von freien Kritiker*innen und Kunstwissenschaftler*innen profitiert, beißt sich gerade selbst in den Schwanz.

Nun, man merkt, die vielen Proteste Externer haben Spuren hinterlassen, sonst wäre der Präsident in seiner Bilanz nicht darauf eingegangen. Doch die Antwortschreiben seitens des universitären Krisenstabs lassen keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen. Vielmehr ist von der hohen Zahl der 45.000 Studierenden die Rede. Wie viele Externe es betrifft, weiß man anscheinend nicht. Sind es 100 oder 200? Viele können es nicht sein – in der Kunstbibliothek fallen Externe gar nicht auf, der Raum – so vermelden es alle Betroffenen – ist nie voll besetzt und dazu von gewaltiger Höhe. Man kann sich weiträumig aus dem Weg gehen. Eine Kontaktverfolgung wird seit Monaten praktiziert, Externe hatten in den letzten Monaten ohnehin nur ein Zeitfenster von 30 Minuten (!), was gerade ausreichte, das Regal zu finden und kurz in ein Buch zu schauen. Aber dieses Reglement ist immerhin besser als eine vollständige Blockade.

Ginge man juristisch gegen die Entscheidung vor, man bekäme wohl recht. Es gibt keinen Grund, Personen mit ernstem wissenschaftlichem Anliegen auszugrenzen, die vollständig geimpft sind.

Das Ganze zeugt von einer gewaltigen Überforderung – die sehr typisch ist für unser Bildungssystem. Auch wenn angeblich die Situation im Laufe des Semesters regelmäßig überprüft wird: Die steigenden Fallzahlen lassen vermuten, dass sich die Blockade das ganze Wintersemester halten wird. Das kommt in vielen Fällen einem Berufsverbot gleich.

Wer von den Leserinnen und Lesern des arthistoricum-Blog ist noch betroffen? Wie sieht die Situation an anderen Universitäten aus?

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